Passepartout – Überall durchkommen

Joern Moeller – (lebens-)Graphische Bildobjekte

Technik:

Graphiken: 4-farbig, computergeneriert, Laserdruck auf A3-Papier.
Rahmen: 3-mm-Stahlrahmen, T-Profil.
Passepartout: Sperrholz, Phenolharz-beschichtet, Schnitte im Watercut-Verfahren.
Versiegelung mit Bersteinlack.

Begriff:

frz. passer "(hindurch)gehen", partout "allseits" "überall", "Kommt überall durch".

Funktion und Ästhetik:

Das Passepartout: Einst Hilfsmittel der Drucker, um blütenweiße Blätter vor der Schwärze ihrer Hände zu schützen. Auch Helfer der Künstler und Sammler, um die zersetzenden Ausdünstungen der Holzrahmen von den empfindlichen Kunstwerken abzuhalten. Heute ist das Passeparout oft ein eigenständiges Bildelement, das mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als das Werk selbst oder fälschlicherweise benutzt wird, um den künstlerischen Wert eines Werkes zu erhöhen.

Die Ausstellung zeigt, wie in einer Serie von 16 Bildern das Passepartout langsam die Oberhand gewinnt, bis es schließlich ein Exponat komplett überdeckt – ironisch-kritischer Kommentar zum Umschlag des Funktionalen ins Ästhetische.


Archaik und Moderne:

Am Computer generierte Graphik, gezeichnet von einem Laserdrucker, gerahmt in stählernen T-Profilen, umgrenzt, bedeckt, überlagert von Sperrholzplatten aus dem Betonbau, Phenolharz-beschichtetes Material geschnitten mit dem Druck eines 4000-Bar-Wasserstrahls (Watercut).

Filigrane Präzision, mit modernsten Mitteln appliziert, schafft hier in der Kombination mit rauhem Konstruktionsmaterial eine archaische Tiefe, auch im wörtlichen Sinne erhaben.


Minimum und Maximum:

Die Plastizität einiger Bildobjekte provoziert ihre künstlerische Transformation in raumfüllende Skulpturen. Am Beispiel des "Vogels" ist dieser Prozess exemplarisch vollzogen. Zu erkennen sind die Bildobjekte mit Potenzial zur Skultptur an den machinengeschnittenen Signaturen. Im Unterschied dazu tragen die bereits plastisch ausformulierten Exponate ein Logo.

Über das konkrete Objekt hinaus, stellt sich die Frage nach Größe grundsätzlich. Überdimensionale Plastik oder handliches Bild? Globalisiertes Leben oder dezentrale Einheiten? MoMa oder HosenStall?


Das Besondere und das Allgemeine:

Das Werk ist hier nicht vom Künstler zu trennen. Lebens-Spuren und -erfahrung finden sich in der Entstehungsgeschichte, der Komposition des Materials und den Namen der Werke. Die Wellenschnitte im Sperrholz erinnern an Laubsägearbeiten aus der Kinderzeit, Rahmen und Platten sind Reminiszenzen an die Brotberufe, das Passepartout ist Chiffre der Vita: Kommt überall durch – und wahrscheinlich auch in 80 Tagen um die Welt.

Die eingewobene Künstlerbiographie im Werk zu entdecken, ist spannend und wird gern aufgeklärt. Sie ist aber nicht Voraussetzung zum Verständnis des Werks. Die Aussagen sind so reduziert, dass sie auf das Universelle verweisen und sich die immanente Dialektik selbst vermittelt.

Passpartout ist pars pro toto.

Text: Marko Scharlow